VON SPATZEN, SCHWALBEN, MENSCHEN UND ANDEREN VÖGELN
01.11.2015
Arbon (Schweiz)
„Bonjour, Bonjour, Bonjour,
Je suis, je suis Monsieur, Monsieur, Monsieur,
Bunzel, Bunzel, Bunzel“ Guten Morgen zusammen!
Ich habe mich Euch gerade vorgestellt. Das war singdrosslisch. Malina und ich sind begeisterte Hobbyornithologen. Wenn Albin bei uns predigt, dann geht es schon mal um kuriose Themen wie die Anzahl der Läuse, die benötigt wird, um die Schnur von Rahab rot zu färben. Ich habe mir gedacht, daß ich heute morgen Euren Predigtalltag auch einmal auflockern möchte, um eine Predigt über Vögel zu halten. Leider mußte ich jedoch in meiner Recherche erkennen, daß mein Hobby in der Bibel nicht so gut wegkommt. In 3. Mose 19, 26 lesen wir: „Ihr sollt nichts vom Blut essen. Ihr sollt nicht auf Vogelgeschrei achten noch Tage wählen.“ Ich war erleichtert, daß bei genauerer Überprüfung der Zusammenhang von Wahrsagerei spricht und nicht vom Beobachten von Vögeln. Das Thema paßt ganz gut in unsere Jahreszeit, in der alle Ornithologen unterwegs sind, um die Zugvögel zu bestimmen und zu zählen. Bei meinem letzten Nachtdienst im Krankenhaus habe ich morgens die Rufe von ziehenden Kranichen gehört. In unserem Urlaub in Hamburg vor zwei Wochen haben wir Tausende von Weißwangengänsen beobachtet, die am Deich der Elbe fressen und ruhen, auf ihrem Weg in den Süden. Auch viele Singvögel sind unterwegs: Stare, Drosseln, Finkenvögel. Diese Schwärme werden auf ihrem Weg begleitet, doch nicht von freundlichen Polizisten und Bürgern, die den ziehenden Tieren warme Decken reichen und Willkommensplakate hochhalten sondern von anderen Vögeln, die während der Zugzeit auf Fast Food warten, Wanderfalken zum Beispiel, denen wie im Schlaraffenland die fast gebratenen Tauben in den Schnabel fliegen. Zur Bestimmung einer Vogelart brauchst Du zwei Informationen: Stimme und Aussehen. Einen Vogel nach dem Aussehen zu beurteilen ist der schwierigere Teil. Vögel sitzen selten still und sind meistens nur aus einiger Disztanz zu sehen. Wenn Du dann noch schlechtes Licht hast, wird es schwierig. Manche Arten sehen gleich aus, z.B. der Zilpzalp und der Fitis. Hörst Du aber ihre Stimme, kannst Du sie mühelos auseinanderhalten. Einen Kuckuck wirst Du dann nicht für einen Sperber halten, obwohl sie im Flug manchmal zum Verwechseln ähnlich sind. Wer mit dem Beobachten von Vögeln beginnt, sollte mit unverwechselbaren Arten anfangen: Amsel, Zilpzalp, Kuckuck, Buchfink. Frage an Dich: Was bist Du eigentlich für ein Vogel? Wenn man Dich so reden hört, welcher Art würde man Dich zuordnen? Schimpfst Du wie ein Rohrspatz oder zeterst Du eher wie eine Amsel? Gehst Du anderen mit Deinem monotonen „Kuckuck“ auf die Nerven und spielst auf Deiner Schallplatte immer dieselbe Leier? Bist Du einer, der alles nachplappert wie ein Papagei oder gehörst Du gar zur großen Vogelfamilie der Spötter? Manche von uns gehören vielleicht zur Art der Trottellummen oder Baßtölpel. Schnatterst Du wie eine Gans? Oder bist Du zwar der Kleinste, von der Stimme aber der Größte wie ein Zaunkönig? Manche gleichen vielleicht der Gattung Hühnervögel. Wird ein Ei gelegt, weiß es gleich die ganze Welt. Vergeßt nie: an der Stimme erkennt man die Art. Wie schön sind die ersten Frühlingstage, wenn der Amselhahn zuerst schüchtern, dann immer selbstbewußter sein Lied vom First des Hauses ertönnen läßt. Man macht das Fenster auf und lauscht ganz ergriffen, das Leben hält Einzug, man atmet durch, man atmet auf. So sollen Jesusjünger sein: Leute, die den Frühling, die das erwachende Leben verkündigen. Drei Punkte über Vögel sollen Euch auf eurem Weg des Lebens begleiten und Euch Kompass und Richtung sein. Doch wählt mir zuerst die Art: Schwalbe oder Sperling? 1. Die Schwalbe „Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen“, Jeremia 8,7 Der Storch, die Turteltaube, der Kranich und die Schwalbe haben alle etwas gemeinsam: sie sind Zugvögel. Die Schwalben werden uns Ende September verlassen und in ihr Winterquartier nach Afrika fliegen. Als Kind schaute ich abends und nachts oft aus meinem Fensterchen und hörte die Rufe der ziehenden Wildgänse und Kraniche. Ein unbeschreibliches Gefühl überkam mich dann immer. Es ist das Geheimnis der Zugvögel. Es ist die Unruhe im Herzen, die Sehnsucht zu fliegen, mitzufliegen durch die Himmel, über den Landmassen und Meeren. Jeder von uns, der mit Jesus unterwegs ist, wurde in seiner Jüngerschaft zum Zugvogel. Jeder von uns spürte irgendwann einmal eine Sensucht, den Beginn eines Erwachens, einer Unruhe, einem Drang nach einer neuen Richtung, einem Aufbruch; etwas, was der Kirchenvater Augustin so beschrieb: „Du hast uns auf dich (Gott) hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir“. „Auch hat Gott den Menschen die Ewigkeit in ihr Herz gelegt“ schreibt der weise Salomo. Ihr begegnetet dem lebendigen Gott in Jesus Christus und habt Euch entschieden, fortan mit Gott zu leben, ihm zu dienen und seine Liebe bewußt zu genießen. Ihr fingt an, die Bibel intensiv zu lesen. In ihr begegneten Euch lauter Menschen, die auf ihre Weise Zugvögel waren, angefangen von Abraham über Josef, Mose und Rut. Über diese Menschen schreibt der Autor des Hebräerbriefs: „Diese alle sind gestorben im Glauben und haben das Verheißene nicht erlangt, sondern es nur von ferne gesehen und gegrüßt und haben bekannt, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind. Wenn sie aber solches sagen, geben sie zu verstehen, dass sie ein Vaterland suchen. Und wenn sie das Land gemeint hätten, von dem sie ausgezogen waren, hätten sie ja Zeit gehabt, wieder umzukehren. Nun aber sehnen sie sich nach einem besseren Vaterland, nämlich dem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.“ (Hebr. 11, 13-16) Wenig später lesen wir: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebr. 13, 14). Christen sind unterwegs auf dem Weg nach Hause. Dieses Zuhause ist für sie der Ort, an dem ihr Herr ist, der Himmel. Jesus sagt in Joh. 14, 2-3: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin.“ Mit dem Blick auf das Ziel verlieren die alltäglichen Sorgen an Bedeutung. Es ist nicht mehr wichtig was ich besitze, sondern wohin ich unterwegs bin. Du hast eines schönen Tages durch Geburt eine Staatsbürgerschaft bekommen. Die gilt für das Leben auf der Erde. Doch später bekamst Du durch eine neue Geburt eine Staatsbürgerschaft für die Ewigkeit. Seitdem bist Du Bürger von Gottes Reich und Miterbe Christi. Seitdem bist Du unterwegs - im Auftrag des Herrn. 2. Der Sperling „Verkauft man nicht fünf Sperlinge für zwei Groschen? Dennoch ist vor Gott nicht einer von ihnen vergessen. Aber auch die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.“, Lukas 12, 6-7 Christen sind keine weltfremden, entrückten Leute. Ich hoffe, daß Ihr mit beiden Beinen im Leben steht - aber Eure Beine haben vielleicht auch schon ordentlich gewackelt. Christen erleiden dieselben Schicksalsschläge wie Menschen, denen Gott egal ist. Es gibt Unfälle, schwere Erkrankungen, unverdiente Kündigungen, Konflikte mit Vorgesetzten, Krach in der Kirche, ungestillter Hunger nach mehr Gemeinschaft, Zweifel, Kummer und - ja, auch Christen kennen das Lied: „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da, habt ihr auch so gut geschlafen, na, dann ist ja alles klar.“ Jesus wischt die Sorgen nicht beiseite. Er macht klar, welche Priorität der Mensch bei Gott hat. Wenn Gott schon auf den Sperling achtet (klar, Gott ist ja schließlich der größte Ornithologe), wie viel mehr dann auf den Menschen. Du bist im Fokus Gottes. Das, was vielen Menschen unangenehm ist, ist für Dich ein großer Trost und Grund, Dich zu freuen. Du bist Gott wertvoll. Er blickt Dich als Vater liebevoll an, denn du bist durch Jesus in Gottes Familie adoptiert worden. Er wird dafür sorgen, daß Du Dir keine Sorgen machen mußt. Zunächst einmal sind nämlich die Fragen Deiner Identität und Deiner Zukunft geklärt worden, das macht überaus gelassen. Wer sagen kann: „Denn Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“, (Philipper 1,21) für den ist die Existenz eine win-win-Situation. Leben wir hier, so genießen wir es in vollen Zügen. Christen sollten ja nicht weltfremd sein. Sie genießen auf ihrem Zug ganz und gar die schönen Dinge der Welt. Ja, ihr Genuß verdoppelt sich: „Denn wer kann fröhlich essen und genießen ohne IHN?“ (Pred. 2, 25). Die fetten Spatzen, die bei uns alle halbe Stunde Patrouille fliegen, um abzuchecken, was heute bei Bunzels auf der Speisekarte steht. Sie sehen eigentlich frech und wohlgenährt aus. Sorgenfalten habe ich noch keine gesehen und Sorgenfedern auch nicht. Bei manchen von uns hat sich der Vater im Himmel gesagt: bei dem ist Haarezählen so kompliziert. Laß ein paar ausfallen, dann ist es leichter. Fürchten brauchen wir uns trotzdem nicht. Besser ER zählt als wir. 3. Was Schwalbe und Sperling gemeinsam haben „Selbst der Spatz hat ein Zuhause gefunden, die Schwalbe ein Nest für sich, wo sie ihre Jungen versteckt hat – nämlich bei deinen Altären, du allmächtiger Herr, mein König und mein Gott. Glücklich zu nennen sind alle, die in deinem Haus wohnen dürfen, sie werden dich für immer preisen.“, Psalm 84, 4-5 Was haben Sperling und Schwalbe gemeinsam? Sie haben ein Zuhause gefunden, dort, wo Gott wohnt. Das war damals der Tempel, den Salomo gebaut hatte. Was muß das für ein prachtvolles Gebäude gewesen sein. Die Bibel beschreibt uns den Bau und seine Ausstattung sehr genau. Edelste Materialien wurden verwendet, Gold glänzte überall. Doch die Tempelsänger, die den Psalm gedichtet haben, hatten einen Blick für die Details. Wenn sie morgens zum Lobpreis in den Vorhof des Tempels strömten, dann sahen sie, daß das prächtige Bauwerk Untermieter hatte: Schwalben und Sperlinge hatten ihre Nester in Lücken und Vorsprünge gebaut. Wer die Nester dieser Vögel gesehen hat, weiß: es sind keine Prachtbauwerke sondern eher lieblose Ansammlungen von Lehm und Stroh. Und doch waren ihre Nester dem lebendigen Gott so nahe. Den Psalmisten wurde dieser Anblick zu einer Lektion. So, wie Pracht und zusammengetragene Haufen von „Dreck“ nicht zusammenpassen, aber doch nebeneinander existieren, so paßt der oft so kaputte Mensch nicht zum lebendigen Gott. Und doch ruft Gott die Menschen in seine Nähe und will, daß sie bei ihm wohnen. Das muß den Psalmdichter gepackt haben. Er staunt auch darüber, daß Menschen, die von Natur aus von Gott weglaufen, ihn misstrauisch beäugen oder ihn zumindest meistens ignorieren, seine Nähe als glücklich empfinden, ja, für sie gibt es nichts schöneres als in Gottes Nähe zu sein! Das ist für sie der Himmel. Christen sind Menschen, die die Jahreslosung vom letzten Jahr zum Motto ihres Lebens machen: „Dir nahe zu sein, Gott, ist mein Glück.“ Lassen wir die Feldlerche das Gesagte noch zusammenfassen: „Nun bin ich hiiier, nun bin ich hiiier, Nun bin ich hiiiier, Über der Wiese, Wiese, Wiese, Wiese, Mein Ziel ist der Himmel, Himmel, Himmel, Was mich trieb, wa mich trieb, Was mich trieb, was mich trieb Ist die Liebe, Liebe, Liebe Zu Diiiir, zu Diiiir, zu Diiiir, zu Diiiir!“ Was bleibt noch zu sagen, liebe Geschwister? Was wird Euer Auftrag sein, jetzt und in der Zukunft? Bevor Zugvögel aufbrechen, sammeln sie sich. Wenn sie aufbrechen, um wegzufliegen, hört man ihre Stimmen, Hundertfach, Tausendfach. Kraniche und Gänse rufen auf dem Flug nach Süden. Mancher Artgenosse, der diese Rufe hört, spürt die innere Sehnsucht und läßt sich einladen, mitzufliegen, der Sonne entgegen. So breitet Eure Schwingen aus, fliegt, Kraniche und laßt hin und wieder Eure herrlichen Trompetenstöße ertönen, die andere einladen, ebenfalls Sehnsucht nach der Ewigkeit zu bekommen und mitzufliegen. Der Allmächtige gnädige Gott segne Euch!